Gute Taten, die sich lohnen

Vergleichsstudie der Universität Würzburg

Jugendliche, die sich sozial engagieren, erleben sich stärker als Teil der Gesellschaft und sind häufiger zu politischer Beteiligung bereit. Das zeigt eine neue Vergleichsstudie der Universität Würzburg bei

Jugendlichen im Alter von zwölf bis 20 Jahren.

„Jeden Tag eine gute Tat“ heißt es bei den Pfadfindern. „Und jeden Tag ein bisschen mehr demokratische Verantwortungsübernahme“: So zumindest lässt sich das geflügelte Wort ergänzen, wenn man die Aussagen einer aktuellen Studie betrachtet, die der Würzburger Bildungsforscher Heinz Reinders durchgeführt hat. Reinders und seine Mitarbeiter/innen hatten dazu knapp 500 Jugendliche im Alter von zwölf bis 20 Jahren aus fast ganz Deutschland befragt; knapp die Hälfte von ihnen ist bei den Pfadfindern engagiert, während die andere Hälfte kein Ehrenamt ausübt.

Das Ergebnis: „Wer sich als Jugendlicher in der Freizeit sozial engagiert, besitzt auch eine höhere Bereitschaft zu demokratischem Engagement“, so Heinz Reinders.

Demokratische Kompetenz höher bei engagierten Jugendlichen

92 Prozent der befragten Pfadfinder gaben beispielsweise an, bei einer Bundestagswahl als Erwachsener die Stimme abgeben zu wollen. Bei der Vergleichsgruppe Jugendlicher, die kein soziales Engagement aufweisen, lag dieser Anteil bei knapp unter 74 Prozent. Auch Unterschriftenaktionen und ehrenamtliches Engagement im Erwachsenenalter finden bei den Pfadfindern deutlich mehr Zuspruch. Mehr als 83 Prozent wollen später freiwillige Dienste leisten (gegenüber 53 Prozent der Nicht-Engagierten) und etwa 80 Prozent an Unterschriftenaktionen teilnehmen (im Vergleich zu ca. 46 Prozent der Vergleichsgruppe).

„Wir haben es bei den Pfadfindern natürlich mit einer spezifischen Gruppe Ehrenamtlicher zu tun“, relativiert Projektleiter Reinders, „aber dennoch zeigen die Unterschiede, zu welchen Möglichkeiten das Ehrenamt Jugendlicher für eine Demokratie führen kann.“ So ergebe sich aus der Studie, dass ihr soziales Engagement es den Jugendlichen ermögliche, ein ganz anderes Verhältnis zu ihrer Gesellschaft zu entwickeln. So machen sich etwa zwei Drittel der Engagierten Gedanken über die gesellschaftlichen Verhältnisse. Bei Jugendlichen ohne Engagement sind es gerade einmal 37 Prozent.

„Wer Menschen mit Unterstützungsbedarf hilft, merkt schnell, welche Verantwortung auf jedem Einzelnen in der Gesellschaft liegt“, resümiert Reinders die Erfahrungen der Jugendlichen. Tatsächlich nehmen drei von vier Pfadfindern diese Verantwortung wahr, die ihnen aus der sozialen Privilegierung heraus entsteht. Bei der Vergleichsgruppe, deren Bildungsstand, Alter und Geschlecht sich von jenem der Pfadfinder nicht unterscheiden, empfinden nur zwei Drittel diese Privilegierung.

Deutschland ist ein ehrenamtliches Entwicklungsland

Deutschland schöpfe das Potenzial von sozialem Engagement Jugendlicher noch längst nicht aus, so Reinders. In anderen Ländern wie den USA, wo das Ehrenamt einen höheren Stellenwert besitzt, engagiere sich unter den 15-Jährigen jeder zweite, in Deutschland hingegen nur jeder dritte Jugendliche in seiner Freizeit sozial. „Dabei ist Ehrenamt keine Förderung des Gutmenschentum“, so Reinders. „Das sind konkrete Lebenserfahrungen für Jugendliche, die nicht nur Kindern, Senioren oder Menschen mit Behinderungen zu Gute kommen. Auch eine stabile Demokratie profitiert davon, wenn sie junge Menschen ins Ehrenamt bringt und dabei unterstützt.“

Wie die Studie zeigt, lernen Jugendliche im Ehrenamt, zu was sie fähig sind, und machen vielfältige Erfahrungen, die ihnen das Gefühl vermitteln, selbst aktiv ihre Gesellschaft zu gestalten. So wurden die Jugendlichen nach ihren Alltagserfahrungen befragt. Bei den Pfadfindern gaben 80 Prozent an, Dinge geschafft zu haben, an deren Gelingen sie vorher nie geglaubt hätten. Diese Erfahrung haben Jugendliche ohne Engagement seltener gemacht (65 Prozent). Meinungen und Sichtweisen werden durch Engagement offenbar geändert. Zwei Drittel der Engagierten gaben an, dass sich ihre Selbst- und Weltsicht deutlich gewandelt habe, in der Vergleichsgruppe war es nicht einmal die Hälfte.

Förderung jugendlichen Engagements ohne Alternative

„Wenn neun von zehn Jugendlichen durch ihr Engagement etwas Neues gelernt haben und ihre demokratische Kompetenz dadurch steigt“, fordert Reinders, „dann ist doch eine verstärkte Förderung jugendlichen Engagements ohne Alternative“. Dass es daran mangelt, zeigt ein weiteres Ergebnis der Befragung: So finden etwa 40 Prozent der sozial engagierten Jugendlichen den Zugang zum Ehrenamt durch Freunde (21 Prozent) oder Eltern (20 Prozent) und nur elf Prozent können durch die Öffentlichkeitsarbeit der Organisationen erreicht werden. Laut Reinders müssten die Ressourcen sozialer Einrichtungen deshalb so ausgebaut werden, dass diese viel mehr Jugendliche für das Ehrenamt begeistern und ihnen auch sinnvolle Angebote machen können.

Dann wären es vielleicht noch mehr Pfadfinder, die nicht nur jeden Tag eine gute Tat verüben, sondern darüber hinaus jeden Tag ein wenig mehr demokratische Kompetenz erwerben.

Über die Studie

Befragt wurden 233 Pfadfinder-Jugendliche und 239 Jugendliche ohne Engagement im Alter von zwölf bis 20 Jahren (Durchschnittsalter: 15 Jahre), darunter jeweils zu gleichen Teilen Mädchen und Jungen. 35 Prozent der Jugendlichen besuchen die Haupt- oder Realschule, 53 Prozent das Gymnasium, die verbleibenden zwölf Prozent studieren oder befinden sich in der Berufsausbildung. Die Jugendlichen stammen aus zehn Bundesländern mit dem Schwerpunkt auf Baden-Württemberg (39 %), Rheinland-Pfalz (12 %) sowie Sachsen, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen (jeweils 8 Prozent), gefolgt von Bayern (7 %), Hessen (6 %), Berlin (5 %) sowie Hamburg und Bremen (zusammen 4 %).

Die Vergleichsgruppe nicht engagierter Jugendlicher ist hinsichtlich des Bildungsgangs, des Geschlechts und des Alters mit der Pfadfinder-Gruppe vergleichbar. Die Studie wurde im Jahr 2007 in Kooperation mit dem Verband christlicher Pfandfinderinnen und Pfadfinder durchgeführt.

Kontakt: Prof. Dr. Heinz Reinders, Fon: 0931 3185563, eMail: heinz.reinders@uni-wuerzburg.de

Robert Emmerich

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